Eine russische Dokumentarfilmerin im Exil in Armenien findet eine neue Berufung | Europa/Zentralasien | DW | 25.04.2023
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Europa/Zentralasien

Eine russische Dokumentarfilmerin im Exil in Armenien findet eine neue Berufung

Margarita Mihailova flüchtete vor einem Jahr von Russland nach Armenien und ließ Familie, Kultur und Beruf zurück. Heute lehrt die Dokumentarfilmerin junge Medienschaffende die Kunst des Filmemachens.

Im Jahr 2020, mitten in der COVID-19-Pandemie, erfuhr Margarita Mihailova von ihrer Schwangerschaft. Damals arbeitete sie in Moskau als erfolgreiche Dokumentarfilmerin und beschäftigte sich zunehmen mit Zensur und den russischen Medien.  

Dann begann die russische Invasion in der Ukraine. Es folgten westliche Sanktionen. Eine Zukunft in Russland erschien für sie, wie so viele andere, eine Unmöglichkeit.  

Gemeinsam mit ihrem Mann wog sie mögliche Optionen ab. Andere gut ausgebildete Russinnen und Russen, die ebenfalls ahnten, dass die russische Führung das Land in den Abgrund ziehen würde, und die selbst Verfolgung befürchteten, entschieden sich zur Flucht – in die Türkei, nach Kasachstan, Dubai. Margaritas Ehemann hatte Familie in Armenien, und auch andere Russinnen und Russen waren auf dem Weg dorthin.  

Das eigene Land zu verlassen, egal ob aus wirtschaftlicher Verzweiflung oder Bedrohung durch Krieg, erfordert großen persönlichen Mut.  

Sprache, Familie, Kultur, Beruf – die Flüchtenden lassen all dies hinter sich, ohne die Garantie, sicher und wohlbehalten im neuen Land anzukommen. Und auch die Hoffnung, jemals in die Heimat zurückzukehren, ist oft verschwindend gering. Margarita stellte sich all dem, als Mutter eines sieben Monate alten Kindes.  

Margarita Mihailova, russische Dokumentarfilmerin im Exil, Armenien

Margarita Mihailova führte Interviews mit Igor Kochetkov, Direktor des russischen LGBT Networks, und mit dem Psychologen Kir Fedorov. Viele ihrer bisherigen Dokumentationen beschäftigen sich mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen in Russland.

„Wir waren nicht direkt bedroht“, erinnert sie sich, „aber wir betrachteten die Migration als Vorsichtsmaßnahme und die Möglichkeit auf eine bessere Zukunft. Und vielleicht noch wichtiger als das, wir wollten den Ungerechtigkeiten in Russland nicht einfach schweigend zusehen.“ 

Ein neues Leben, eine neue Berufung 

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Margarita viele Beiträge über Menschen produziert, die, wie sie sagt, “weder eine Stimme noch besonderen öffentlichen Einfluss haben: Menschen mit Behinderung, Sexarbeiterinnen, und Frauen im Allgemeinen.“ Sie machte Filme für Wohltätigkeitsvereine und die Privatindustrie. Sie hatte auch Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Arbeit mit der Kamera begleitet, zum Beispiel 2014 für den russischen Sender TV Rain, der sie beauftragte, die zahlreichen Herausforderung bei der Berichterstattung über Putins autoritäre Gebaren und die Entwicklungen hin zum Krieg zu dokumentieren. 

„Das hat mich inspiriert, denn ich habe gesehen, wie sie um ihr Überleben kämpfen“, sagt sie. 

Das war auch der Grund, warum sie den armenischen Sender Factor TV kontaktierte, einen Partner der DW Akademie, und anbot, junge Reporterinnen und Reporter bei ihren Geschichten zu unterstützen. Sie wurde mit offenen Armen empfangen, etwas, das sie heute noch überrascht, wie sie sagt.  

“Ich denke es gibt dieses Vorurteil des russischen Immigranten, der keine Arbeit findet“, sagt sie, „und in vielen Fällen stimmt das auch. Aber ich hatte sehr viel Glück, denn ich wollte unbedingt arbeiten.“ 

Margarita arbeitete mit den Praktikantinnen und Praktikanten von Factor TV und zeigte ihnen verschiedene Ansätze im Bereich Dokumentationsfilmproduktion, sagt Sara Khojoyan, die für das Praktikantenprogramm des Senders zuständig ist. Sie arbeitete auch mit Studierenden bei der Entwicklung und Produktion von Kurzfilmen, in denen sie ihren Blick auf das Thema Journalismus und das Praktikum dokumentierten. Es ist Teil des Programms "European Media Facility in Armenia. Building Sustainable and Professional Media", das von der EU co-finanziert wird. 

Margarita Mihailova, russische Dokumentarfilmerin im Exil, Armenien

Die Dokumenatationsfilmerin Margarita Mihailova flüchtete zu Beginn des Ukrainerkrieges von Russland nach Armenien. In ihren Filmen dokumentierte sie beispielsweise das Leben in Verhniy Bereznik, ein Dorf in der Nähe der russischen Stadt Archangelsk.

„Es waren neue und wichtige Informationen für die Studierenden“, sagt Khojoyan. „Dadurch bekamen sie eine andere Perspektive auf die Probleme, die Dokumentationen in Russland thematisieren, und auch Ideen, wie sich diese abbilden lassen. Ihre Arbeit für Factor TV hat in jedem Fall dazu beigetragen, die Erfahrungen und Kenntnisse der Studierenden zu erweitern.“  

Dem Gastland etwas zurückgeben 

Trotz allem betrachtet sich Margarita selbst nicht als Journalistin. Die Beobachtung der Journalistinnen und Journalisten bei der Ausübung ihrer Arbeit hat bei ihr ein Interesse für Politik geweckt. Es beschäftigt sie zunehmend, gerade da sie sieht, wie viele Journalistinnen und Journalisten, die über die Jahre zu ihren Freunden geworden sind, öffentlich als Staatsfeine stigmatisiert werden. Auch deshalb sieht sie die Arbeit mit den jungen Journalistinnen und Journalisten in Armenien als wichtige Aufgabe.  

“Es ist eine großartige Möglichkeit und gibt mir das Gefühl, am Leben zu sein“, sagt sie. „Ich wollte immer arbeiten, aber ich habe nicht erwartet, dass die Armenierinnen und Armenier zu mir oder anderen Russinnen und Russen so offen und freundlich sind. Aber sie haben mir Arbeit gegeben, sie haben sich wirklich für unsere Lage interessiert, und ich bin froh, dass ich etwas zurückgeben kann.“