Kambodscha: Fakten statt Fiktion | transparenz-und-medienfreiheit | DW | 10.01.2022
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Transparenz und Medienfreiheit

Kambodscha: Fakten statt Fiktion

Der Reporter Nop Vy von CamboJA, einer Vereinigung von Journalistinnen und Journalisten aus Phnom Penh, kämpft für einen besseren Zugang zu zuverlässigen Informationen während der Pandemie.

DW Akademie: Mit CamboJA leiten Sie ein Netzwerk von Investigativjournalistinnen und -journalisten, das sowohl an der Überwachung als auch an der Erstellung von Nachrichteninhalten beteiligt ist. Wie ist die aktuelle Informationslage in Kambodscha? Wie informieren sich die Menschen, insbesondere über die aktuelle Pandemie?

Nop Vy: Es ist bekannt, dass es für Journalistinnen und Journalisten sowie für kambodschanische Bürgerinnen und Bürger schwierig ist, Zugang zu Informationen von öffentlichen Einrichtungen zu erhalten. Normalerweise erhalten wir die Erlaubnis, Interviews mit Regierungssprecherinnen und -sprechern zu führen, aber in einigen heiklen Fällen wird diese Erlaubnis verweigert.

Kambodscha hat immer noch kein Gesetz über den Zugang zu Informationen und das derzeitige Pressegesetz ist nicht stark genug, um Regierungsmitarbeitende zur Herausgabe von Informationen an Journalistinnen und Journalisten zu zwingen. Infolgedessen kann es für Redaktionen äußerst schwierig sein, die Informationen zu überprüfen, die sie benötigen, um fundierte Berichte zu schreiben.

Die Situation in Bezug auf den Zugang zu Informationen wird durch die Tatsache verschärft, dass die Bürgerinnen und Bürger seit 2017 keinen Zugang zu einer Vielzahl von Medien haben, insbesondere zu unabhängigen Medien. Die Zahl der unabhängigen Medien, die innerhalb oder außerhalb Kambodschas tätig sind, ist äußerst gering. Im Gegensatz dazu veröffentlichen Hunderte von regierungsfreundlichen Medien täglich regierungsfreundliche Inhalte.

Im Hinblick auf die Pandemie benötigen Journalistinnen und Journalisten wie auch die Bürgerinnen und Bürger aktuelle Informationen, die schnell, zuverlässig und zeitnah geliefert werden. Die begrenzte Anzahl von Regierungssprecherinnen und -sprechern, die für Interviews zur Verfügung stehen, stellt dabei eine echte Hürde dar.

 

Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für die Vielzahl und Verbreitung von Desinformationen?

Der Großteil des Medienkonsums ist eher passiv als aktiv einzustufen. Die Hauptquellen für Nutzende sind meist die Medien der Regierung, kombiniert mit einer Menge Input aus den Sozialen Medien. Oftmals fehlt den Menschen die Fähigkeit, Fakten von Fiktion zu unterscheiden. Wir befinden uns in einer Krise aufgrund der begrenzten Medienkompetenz und des mangelnden Vertrauens in zuverlässige Informationsquellen. Anders als in anderen Ländern gibt es bei uns keine Gesetze und klaren Mechanismen, auf die die Menschen zurückgreifen können, um an korrekte Informationen zu gelangen.

 

Wir haben gehört, dass Sie einige Aktivitäten zur Überprüfung von Fakten und Informationen in Kambodscha initiiert haben. Was hat gut funktioniert und was nicht?

CamboJA hat sich an einer Reihe von Initiativen beteiligt, die darauf abzielen, falsche Informationen zu entlarven. Natürlich waren einige unserer Ansätze erfolgreicher als andere. Eine lokale Organisation versuchte beispielsweise, ein Team zur Überprüfung von Fakten zu bilden, musste aber feststellen, dass sie nicht über die dafür erforderlichen personellen Ressourcen und qualifizierten Kenntnisse verfügte, um die Arbeit durchzuführen.

Interessanterweise scheint es eine Tendenz zu geben, nur staatliche Quellen zu überprüfen und zu verifizieren. Das ist eindeutig zu wenig, denn wir sind der Meinung, dass alle Arten von Quellen berücksichtigt werden sollten. Diese Arbeit kann mühsam und zeitaufwendig sein und erfordert ein gewisses Maß an Ausbildung, bevor sie in Angriff genommen werden kann. Der Aufbau qualifizierter Faktencheck-Teams und ihre Finanzierung sind weitere nicht zu unterschätzende Herausforderungen.

Leider ist es auch eine Tatsache, dass diese Arbeit Risiken für das Verifizierungsteam selbst mit sich bringen kann, da sich politisch Verantwortliche manchmal gegenseitig mit Hassreden und Fehlinformationen angreifen. Berichterstattung und Faktenüberprüfung können sich manchmal wirklich wie ein Sprung in ein Haifischbecken anfühlen.

 

Kann Medien- und Informationskompetenz, kurz MIL für Media and Information Literacy, in einer solchen Krise helfen?

Eine der wichtigsten Rollen, die MIL-Fachleute spielen können, ist die Förderung des Wertes wahrheitsgemäßer, faktenbasierter Informationen für die Menschen in Kambodscha. Sie können Wissen und MIL-Fähigkeiten mit ihrer Familie, ihrem Freundeskreis und Klassenkameradinnen und -kameraden teilen. Diejenigen, die in den sozialen Medien aktiv sind, sollten die Gelegenheit nutzen, als Mentorinnen und Mentoren für diejenigen zu fungieren, die weniger über die Risiken von Fehlinformationen wissen.

 

Welche produktiven Möglichkeiten gäbe es, dem Publikum zu helfen, falsche wissenschaftliche Informationen zu erkennen und sich dagegen zu wehren?

Für uns als Medienschaffende ist eine Möglichkeit, dies zu erreichen, die langfristige Einbindung des Publikums. Wir sollten damit beginnen, öffentlichkeitswirksame Kampagnen durchzuführen, um das Bewusstsein zu schärfen und die Menschen aufzuklären. Das Ausmaß der erforderlichen Maßnahmen ist so groß, dass wir die Rollen und Verantwortlichkeiten unter einer Reihe von Medienschaffenden aufteilen sollten.

Wichtig ist, dass wir Wege finden, um das Informationsministerium dazu zu bewegen, Faktenüberprüfung und MIL in das Bildungssystem für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe oder jünger zu integrieren.

 

Was sind die wichtigsten Lektionen, die Sie während der Covid-19-Pandemie über Informations- und Kommunikationsmanagement gelernt haben?

Der Aufbau von Kapazitäten zur Faktenüberprüfung ist ein langfristiges Projekt. Die Zusammenarbeit mit starken Kooperationspartnern ist enorm hilfreich, ebenso wie die Tatsache, dass man sich auf eine ausreichende Finanzierung verlassen kann. Die Entwicklung einer langfristigen Strategie ist der erste Schritt.

Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass es für die Menschen wichtiger denn je ist, genaue Informationen zu erhalten. Dies hilft ihnen, sich zu schützen und herauszufinden, wie sie ihr tägliches Leben und ihre Arbeit bewältigen können. Doch wie bei einem Virus verbreiten sich Fake-News, Fehlinformationen und Desinformationen über die Pandemie extrem schnell. Das bedeutet, dass es den Menschen oft schwer fällt, die Informationen, auf die sie stoßen, zu überprüfen. Durch die Überprüfung von Mythen und Gerüchten spielen Journalistinnen und Journalisten eine Schlüsselrolle dabei, anderen Menschen zu helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen.

 

Nop Vy ist geschäftsführender Direktor und Gründungsmitglied von CamboJA. Bevor er 2020 Geschäftsführer wurde, war Nop Vy Mediendirektor des kambodschanischen Zentrums für unabhängige Medien (CCIM), der Geburtsstätte von CamboJA. Seit 2001 hat Nop Vy auch als Sozialarbeiter, Reporter, Nachrichten- und Chefredakteur gearbeitet.

 

Über CamboJA: CamboJA mit Sitz in der Hauptstadt Phnom Penh ist eine politisch neutrale, mitgliederbasierte Vereinigung von Journalistinnen und Journalisten in Kambodscha. Sie wurde 2019 von 15 kambodschanischen Medienschaffenden gegründet, nachdem die Regierung hart gegen Kritik und unabhängige Medien vorgegangen war.

Der Verband wurde am 11. Januar 2021 als assoziiertes Mitglied in die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) aufgenommen. Am 16. November 2020 wurde er für den "Independence Prize" im Rahmen der „Reporter ohne Grenzen 2020 Press Freedom Awards“ nominiert.

 

Dieses Projekt ist Teil der Initiative "Transparenz und Medienfreiheit - Krisenresilienz in der globalen Pandemie" der DW Akademie und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).